Wissenschaft

Kombinierter Verkehr als Beispiel nachhaltigen Handelns – eine Theorie-Praxis-Verknüpfung

Eines der wichtigsten Ziele einer Hochschule besteht darin, eine Verbindung zwischen ge­lehrter Theorie und Praxis im Unternehmen herzustellen. Gerade für einen solchen Brücken­schlag eignet sich das Thema „Kombinierter Verkehr“ (KV) sehr gut, können dabei doch verschie­dene theoretische Grundlagen – zu betriebswirtschaftlichen Analysen, zu Kostenrechnung, zu Entscheidungstheorie oder zu Umweltmanagement – mit deren praktischer Anwendung verbunden werden.

Theorie-Praxis-Bezug konkret: Kombinierter Verkehr als Beispiel nachhaltigen Handelns

Durch die Brundtland-Kommission der UN (1987) und die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags (1990) wurde der schon im 18. Jahrhundert verfolgte Ansatz der Nachhaltigkeit weiter ausgearbeitet, wobei in einem Drei-Säulen-Modell ökologische, ökonomische und soziale Ziele gleichrangig nebeneinander gestellt wurden:

Säulen der Nachhaltigkeit Bildrechte Müller
© Prof. Dr. Stefanie Müller

Als intelligente Verbindung von Verkehrsträgern stellt der KV in jeglicher Hinsicht – ökologisch, ökonomisch und sozial – ein Beispiel für nachhaltiges Handeln dar:

  • Ökologisch: Indem auf der Hauptlaufdistanz der energieeffiziente Schienenverkehr genutzt wird, reduzieren sich Emissionen und sonstige Umweltbelastungen im Vergleich zum reinen Straßentransport wesentlich.
  • Ökonomisch: Ein Transportkilometer auf der Schiene ist deutlich kostengünstiger als ein Kilometer im Straßentransport. Jedoch hilft der KV Transportanbietern nicht nur, ihre Kosten zu senken. Er kann auch die Erträge steigern, da eine umweltfreundliche Verkehrs­durchführung zunehmend auch ein Marketingargument für Transportanbieter darstellt.
  • Sozial: Mit der Reduzierung von Lkw-Straßentransporten und der damit einhergehenden Verkehrsentlastung fördert der KV die Mobilität von Menschen. Mit der Nutzung einer ressourcenschonenden Verkehrsvariante trägt er ferner dazu bei, für kommende Generationen eine intakte Umwelt zu erhalten – und steht somit auch für eine soziale Verantwortung.

Lernziele und der Kombinierte Verkehr als Gegenstand akademischer Lehre

In der Didaktik werden Lernziele auf mehreren Ebenen unterschieden – von einer einfachen Wissensvermittlung über Verständnis, Anwendung und Analyse bis hin zur Entwicklung eigener Lösungen und deren Evaluation. Nachfolgend werden Ansatzpunkte dargestellt, wie der KV auf diesen unterschiedlichen Lernzielebenen in die akademische Lehre eingebracht werden kann:

1.    Charakter und Besonderheiten des KV erklären, auch mit beteiligten Akteuren und Prozessketten (= Ebene der Wissensvermittlung).

2.    Die oben beschriebene praktische Umsetzung von Nachhaltigkeit im KV ausführen und erklären (= Ebene der Wissensvermittlung).

3.    Von dem oben beschriebenen Theorie-Praxis-Transfer nur die theoretischen Grund­lagen zur Nachhaltigkeit erklären. Die Übertragung in die Praxis, also die Schluss­folgerung, warum der KV über alle drei Säulen ein Beispiel nachhaltigen Handelns darstellt, wird entweder in der Diskussion oder von den Studierenden in einer eigenständigen Bearbeitung geleistet (= Ebene von Verständnis bzw. Anwendung).

4.    Statistiken zu zeitlichen Entwicklungen oder zur Zusammensetzung des KV (z.B. Modal Split, Zusammensetzung nach begleiteten/unbegleiteten Ver­kehren, Zahlen zu Fahrten, Tonnen und Tonnenkilometern) interpretieren und Begrün­dungen für eventuelle Auffälligkeiten diskutieren (= Ebene des Verständnisses).

5.    Auf Basis vorgegebener Kostenschätzungen (Kosten für den Straßen- und den Schienenkilometer, für Umschlagvorgänge und Zubringertransporte) die Distanz berechnen, ab wann sich KV lohnt (= Ebene der Analyse).

6.    Auf Unternehmensebene (oder ggf. auch volkswirtschaftsweit) die CO2-Einsparungen ermitteln, die durch Nutzung des KV realisiert werden können (= Ebene der Analyse).

7.    Untersuchen von Voraussetzungen und Einflussfaktoren für eine Umstellung von Transporten auf KV; hierzu gehören z.B. Transportdistanzen, Güterarten, Verladeranforderungen, aber auch Equipmentvoraussetzungen. Darauf aufbauend Konzeption von Entscheidungsmodellen (= Ebene der eigenen Lösungsentwicklung).

8.    Vergleichsrechnung zwischen KV und reinem Lkw-Verkehr. Dies könnte z.B. mit einer Make-or-Buy-Frage gekoppelt werden, bei welcher der Lkw-Transport die Make-Alternative (eigene Lkw mit entsprechender Fahrzeugkalkulation) und der KV die Buy-Alternative darstellt. Entwicklung von kalkula­torischen Entscheidungsmodellen und von Handlungsvorschlägen (= Ebene der eigenen Lösungsentwicklung und der Evaluation).

Ein Thema – viele Ansatzpunkte

Der KV ist für die akademische Lehre in verschiedenerlei Hinsicht ein sehr ergiebiges Thema: Erstens zeichnet er sich durch komplexe Transportketten aus, was zu anspruchsvollen Analyseaufgaben führt. Zweitens ist der KV mit seinen Zubringertrans­porten und Umschlagvorgängen sehr typisch für inter- bzw. multimodale Transportketten; das Verständnis des KV erleichtert somit das Verständnis auch anderer Transportketten. Drittens ist die Nutzung des KV häufig mit einer Outsourcing-Entscheidung verbunden – ein in der Betriebswirtschaftslehre stets aktuelles Thema. Hier bietet der KV ein weites Analysefeld. Viertens und nicht zuletzt eröffnet der KV auch sehr konkrete Gestaltungsspielräume, weil hier unternehmensseitig häufig noch Handlungsbedarf besteht.